Intelligente Videoauswertung für mehr Sicherheit und Datenschutz

Pilotprojekt in Mannheim: Algorithmenbasierte Videoüberwachung im öffentlichen Raum zur Bekämpfung von Straßenkriminalität

© Fraunhofer IOSB
Der Algorithmus extrahiert aus den Videoaufnahmen zunächst die Position der Körper und Gliedmaßen (»digitales Skelett«). Auf dieser Basis kann die KI dann bestimmte Verhaltensweisen klassifizieren.
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Systemarchitektur im Projekt: Konventionelle und die in Entwicklung befindliche intelligente Videoauswertung laufen parallel auf verschiedenen Rechnern.

Computer erkennen bestimmte Verhaltensmuster

Bei dem Pilotprojekt zum intelligenten, algorithmenbasierten Videoschutz geht es um die Bekämpfung von Straßenkriminalität im öffentlichen Raum. Das Gesicht bzw. die Identität einer Person spielt dabei keine Rolle, sondern lediglich deren Verhaltensmuster. Ziel ist, dass Computer bestimmte Verhaltensmuster, die auf Straftaten hindeuten - etwa Schlagen oder Treten - automatisch erkennen und die Polizeibeamten im Führungs- und Lagezentrum darauf hinweisen. Die Polizeibeamten dort können dann gezielt auf diese Situationen schauen und entscheiden, ob eine Intervention erforderlich ist und sie Kollegen zum Ort des Geschehens schicken.

Projektziele: Mehr Sicherheit UND mehr Datenschutz

Zum einen geht es darum, den Polizeibeamten im Führungs- und Lagezentrum die Arbeit zu erleichtern und damit letztlich die Sicherheit der Bürger*innen zu verbessern: Niemand kann über Stunden hinweg die Bilder von Dutzenden Videokameras parallel und mit konstanter Aufmerksamkeit  verfolgen. Ein Assistenzsystem, das relevante Szenen vorfiltert und die Aufmerksamkeit der Beamten gezielt dorthin lenkt, wo es sich lohnt genauer hinzuschauen, ist eine große Hilfe.

Zum anderen bietet dieser Ansatz neue Möglichkeiten, Videoüberwachung und Privatsphäre zusammenzubringen: Wenn brenzlige Situationen erst einmal zuverlässig erkannt werden, können im Normalbetrieb alle Bilder verpixelt werden; scharf gestellt wird erst, wenn das System zu der Einschätzung kommt, dass ein Mensch sich diese Situation genauer anschauen sollte. 

Umsetzungsschritte

Im Projekt läuft das intelligente System parallel zur menschlichen Auswertung der Aufnahmen (die für 72 Stunden gespeichert und dann überschrieben werden) im Probebetrieb. Zum Einsatz kommt eine Experimentalsoftware, entwickelt in früheren Forschungsprojekten unter Laborbedingungen. Sie wird nun Schritt für Schritt an den Einsatz im realen Leben angepasst. Zunächst ist die Software in der Lage, Personen und Objekte zu erkennen. In einem zweiten Schritt kann sie die Körperhaltungen und Bewegungsabläufe von Personen erfassen. Auf dieser Basis soll die eingebaute Künstliche Intelligenz (KI) dann lernen, polizeilich relevante Situationen zu erkennen. Die KI benötigt dafür Trainingsdaten, also Aufnahmen entsprechender Situationen, um ähnliche Verhaltensmuster aus der Vielfalt der Bilder herausfiltern zu können. Solche Trainingsdaten aus dem öffentlichen Raum existieren aus Datenschutzgründen aber praktisch nicht. Deshalb hat das Projekt in Mannheim echten Pilotcharakter. Wie gut, mit welcher Zuverlässigkeit und welcher Rate an Fehleinschätzungen die Erkennung polizeilich relevanter Ereignisse gelingt, wird sich erst im Verlauf des Projekts erweisen.

Projektpartner

  • Polizeipräsidium Mannheim
  • Stadt Mannheim
  • Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg

Mannheim nimmt mit diesem Projekt eine Vorreiterrolle ein. Eine gezielte Änderung des baden-württembergischen Polizeigesetzes Ende 2017 schaffte überhaupt die rechtliche Grundlage für einen derartigen Technikeinsatz. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Stadt und das Polizeipräsidium Mannheim sowie das Fraunhofer IOSB als Projektpartner bereits gefunden. Im Lauf des Jahres 2018 wurde in Mannheim Videoüberwachungshardware beschafft und an Orten mit deutlich erhöhter Straßenkriminalität installiert - insgesamt geplant sind 76 Kameras, die ihre Bilder über ein eigenes, abgeschottetes Glasfasernetz an das Lagezentrum im Mannheimer Polizeipräsidium übertragen. Eine Verbindung zum Internet besteht an keiner Stelle.

Mannheim machte bereits in den Jahren 2001 bis 2007 viel beachtete Erfahrungen mit der Videoüberwachung: Der »Mannheimer Weg« wurde damals zum Synonym für eine Videoüberwachung, die weniger auf Aufzeichnung und nachträgliche Aufklärung von Straftaten zielt als auf die unmittelbare und schnelle Intervention - und damit letztlich auf Prävention. Die Mannheimer Polizei erreichte damals eine durchschnittliche Reaktionszeit von zweieinhalb Minuten. In der Folge ging die Kriminalität an den beobachteten Brennpunkten so stark zurück, dass die Rechtsgrundlage für eine Videoüberwachung wegfiel und das damalige (analoge) System abgeschaltet werden musste. In den darauf folgenden Jahren verschlechterte sich die Sicherheitslage wieder.

Abteilung VID des Fraunhofer IOSB

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Projektsteckbrief

Intelligente Videoüberwachung in Mannheim

Projektstart: 3.12.2018 (dann Verlängerung im Dezember 2023)

Projektdauer: 5 + 3 Jahre

Projektvolumen: Stadt und Land investieren insgesamt ca. 1,6 Mio. Euro, davon fließen 0,5 Mio. Euro an das Fraunhofer IOSB (Stand 2018)