Digitaler Zwilling – das Schlüsselkonzept für Industrie 4.0

Digitaler Zwilling in der Produktion
© Fraunhofer IOSB
Digitaler Zwilling in der Produktion.

Unter dem Begriff »Digitaler Zwilling« versteht das Fraunhofer IOSB ein Konzept, mit dem Produkte sowie Maschinen und ihre Komponenten mit Hilfe Digitaler Werkzeuge modelliert werden, und zwar einschließlich sämtlicher Geometrie-, Kinematik- und Logikdaten. Ein Digitaler Zwilling ist das Abbild des physischen ‘Assets‘ in der realen Fabrik und erlaubt dessen Simulation, Steuerung und Verbesserung. Industrie 4.0-Arbeitsgruppen diskutieren Digitale Zwillinge in Verbindung mit der sog. Verwaltungsschale und Industrie 4.0-Komponenten.

Digitale Zwillinge werden in den kommenden Jahren in Forschung und Entwicklung weiter ausgestaltet; schon heute ist klar, dass es sich dabei nicht um ein monolithisches Datenmodell handelt, sondern um unterschiedliche Aspekte digitaler Repräsentationen, Funktionalitäten, Modelle und Schnittstellen. 

Aus Sicht der industriellen Produktion und seines Engineerings umfassen Digitale Zwillinge beispielsweise folgende Teilmodelle:

  • Modellbasierte Selbstbeschreibungen mit dem Ziel von Autoidentifikation und Autokonfiguration, z.B. damit sich Maschinen und ihre Komponenten mit Hilfe von mitgelieferten Treiberinformationen am MES-System oder im IoT-System mit ihren Fähigkeiten und Diensten anmelden.
  • Beschreibung von Fähigkeiten (‚Skills‘) von Produktionsanlagen, bestimmte Fertigungsverfahren wie Drehen oder MAG-Schweißen ausführen zu können oder Materialflussfunktionen wie Heben oder Stetigfördern durchzuführen. Außerdem umfassen die Fähigkeiten Attribute und ihre zulässigen Wertbereiche sowie ggfs. Teile der Logik. Mit diesen Beschreibungen können Produktionsmittel schnell zu Anlagen für neue Fertigungsaufgaben zusammengebaut, konfiguriert und in Betrieb genommen werden.
  • Datenbasierte Modelle des Normalverhaltens einer Maschine, einer Linie oder einer kompletten Produktion, basierend auf Laufzeitdaten, die beispielsweise über ein MES aus dem realen Betrieb, z.B. mit Hilfe maschinellen Lernens, gewonnen werden.
  • Offline- und Online-Simulationen einschließlich spezieller Simulatoren, z.B. für Finite Elemente, Virtuelle Inbetriebnahme oder die Simulation physikalischer Prozesse. Im Idealfall interagieren verschiedene Simulationsmodelle miteinander. Der Begriff des Digitalen Zwillings ist in der Vergangenheit oft mit der Simulation gleichgesetzt worden; aus der Sicht des IOSB ist diese Definition jedoch zu eng.
  • Die Digitale Fabrik, die ein „umfassendes Netzwerk von digitalen Modellen, Methoden und Werkzeugen (…)“ beschreibt, „die durch ein durchgängiges Datenmanagement integriert werden“, z.B. für Produktions- und Materialflussanlagen, Gebäude und Technische Gebäudeausrüstung (VDI 4499, Blatt1). Der Begriff der Digitalen Fabrik ist seit langem bekannt und in einschlägigen Standards beschrieben, z.B. der Richtlinienreihe 4499 des VDI.
  • Zu vollständigen Digitalen Zwillingen gehören außerdem IT-Sicherheit, Zugriffsrechte, Zertifikatshandling, Versionsmanagement und Kompatibilitätstests verschiedener Versionen Digitaler Zwillinge.

Digitale Zwillinge sind für Industrie 4.0 und die Digitalisierung der Fertigung essentiell. Ihr Inhalt entsteht in den verschiedenen Lebenszyklusphasen eines Produkts oder einer Fabrik, mit unterschiedlichen Werkzeugen auf diversen Plattformen. Aus den ersten Beispielen in der Praxis ist schon jetzt ersichtlich, dass Digitale Zwillinge sehr anwendungsspezifisch und für jedes Unternehmen maßgeschneidert zu definieren sind.

 

COGNITWIN

Erfahren Sie mehr über kognitive Fabriken mittels proaktiver, selbstlernender hybrider Digitaler Zwillinge.

Digital Twin in der visIT

FA³ST - Tools für Digitale Zwillinge

FA³ST ist ein im Aufbau befindlicher Werkzeugkasten für Digitale Zwillinge basierend auf der I4.0-Spezifikation der Verwaltungsschale.

Standardisierte Schnittstellen für Digitale Zwillinge

Modelle aus unterschiedlichen Phasen des Lebenszyklus sollen interagieren. Aufgrund der allseits bekannten Heterogenität von Schnittstellen, stellt dies heute eine große Herausforderung dar. Standardisierte Syntax (Protokolle) und Semantik (Informationsmodelle) schaffen Abhilfe. Industrie 4.0-Komponenten interagieren über in ihren Verwaltungsschalen (Asset Administration Shells) enthaltene Teilmodelle miteinander.