Projekthintergrund
Im Projekt KARLI wurden Lösungen entwickelt, die fahrdynamikbedingte körperliche Beeinträchtigungen erkennen, vermeiden und diesen vorbeugen. Die Kinetosevorbeugung trägt zur Sicherheit des automatisierten Fahrens im Falle einer erforderlichen Übernahme der Fahraufgabe bei. Der kamerabasierte Assistent des Fraunhofer IOSB zur Analyse von Posen wurde mit der Fähigkeit ausgestattet, Aktivitäten in Echtzeit zu erkennen. Mit diesen Informationen wurden adaptive Interaktionen umgesetzt, um vorbeugende nutzer- oder fahrzeugseitige Maßnahmen gegen Kinetose einzuleiten.
Kinetose (englisch: Motion Sickness) ist kein neues Phänomen, es betraf bisher hauptsächlich Mitreisende. Bis zu zwei Drittel von ihnen sind von Kinetose betroffen. Neu ist jedoch, dass diese Problematik auch Fahrende betrifft, die sich im automatisierten Fahrzeug temporär aus der Fahraufgabe zurückziehen. Besonders in Fahrzeugen der SAE-Level 3, in denen sich Fahrende verschiedenen Nebenaufgaben zuwenden dürfen, entsteht dadurch nicht selten Kinetose. Wenn Betroffene plötzlich wieder eingreifen müssen, kann Kinetose zur Gefahr werden: Die Symptome – von Übelkeit über Schwindel bis hin zu verlangsamter Reaktionszeit – beeinträchtigen die Fahrtüchtigkeit mitunter über einen Zeitraum von Stunden. Damit wird Kinetose beim automatisierten Fahren nicht nur zu einem komfort-, sondern zu einem sicherheitsrelevanten Thema.
Projektziel
Mit der Idee aus KARLI, das von Fraunhofer und Continental ins Leben gerufen wurde, soll das Auftreten von Kinetose vermieden werden, bevor Symptome auftreten. Ziel des Projekts, an dem mehrere Partner aus dem Bereich Forschung, Industrie und Dienstleistung beteiligt sind, ist es, gefährdende Aktivitäten zu identifizieren und gezielt gegenzusteuern – etwa durch frühzeitige Hinweise auf kritische Fahrstrecken, kombiniert mit Empfehlungen zur Änderung der Sitzhaltung oder der Aktivität. Der passendste Zeitpunkt für die proaktiven Hinweise sollte dabei auf die aktuelle Aktivität abgestimmt werden, um möglichst wenig zu stören und um bestmöglich zu wirken.
Projektergebnis
Basierend auf den Erkenntnissen aus einer internationalen Umfrage entwickelte das Fraunhofer IOSB ein auf Kameradaten basierendes Erkennungssystem für risikobehaftete Aktivitäten. Die im Fahrzeug verbaute Sensorik– typischerweise in teilautomatisierten Fahrzeugen bereits vorhanden – wird um eine Aktivitätserkennung auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) erweitert. Dadurch entsteht ein adaptives System, das vorhersagt, wann eine bestimmte Tätigkeit in Kombination mit einer bevorstehenden Kurve, einem Kreisverkehr oder einer Stop-and-Go-Situation zur Gefahr werden könnte. Diese Informationen können wiederum in die Gestaltung von Hinweisen oder Navigationsvorschlägen integriert werden oder an Assistenzsysteme zur Fahrzeugsteuerung übergeben werden.
Grundlage für die Aktivitätserkennung ist das vom Fraunhofer IOSB bereits in einigen Forschungs- und Entwicklungsprojekten verwendete KI-gestützte System, das in Kameradaten 3-D-Posen erkennt. Aus den Posen können Aktivitäten der Fahrzeuginsassen und -insassinnen abgeleitet werden. Durch die Analyse von Bewegungsmustern und Objektinteraktionen kann das weiterentwickelte flexible und modulare Advanced Occupant Monitoring System bis zu 35 Aktivitäten unterscheiden, darunter Lesen, Schreiben oder das Umwenden vom Vordersitz zur Rückbank. Die präzise und flexible Erkennung von Aktivitäten in Echtzeit mit dem Advanced Occupant Monitoring System wurde im Projekt KARLI verwendet, um potenzielle Risiken der Kinetose frühzeitig zu identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten zu können.
Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB