Ohne Semantik keine Industrie 4.0!

Die Infobroschüre »PLUG and WORK – Lösungsbausteine für Schnittstellen in der Automatisierung« steht Ihnen hier als Download zur Verfügung.

»Plug and Work« ist ein Konzept zur Interoperabilität in Industrie 4.0, bestehend aus konkreten Lösungen zur semantischen Beschreibung von Maschinen und Anlagen sowie deren Komponenten. Ziel ist es, manuelle Konfigurationsarbeiten weitgehend zu reduzieren und so allgemein verständliche, schnelle und sichere Verbindungen von Geräten und überlagerter Software zu erreichen.

Ein spezielles Ziel der Maschinenanbindung nach dem PLUGandWORK-Prinzip ist es, die Aufwände zur Verbindung von Maschinen an ein übergeordnetes MES-System drastisch zu reduzieren. Heutige manuelle Konfigurationsarbeiten können sich Anlagenbetreiber, Maschinenbauer und MES-Anbieter nicht mehr leisten. Damit PLUGandWORK funktioniert, benötigen Maschinen und Anlagen sowie Automatisierungskomponenten Selbstbeschreibungen, und zwar möglichst in standardisierter Form. Jedes MES, das diesen Standard ‚versteht‘, kann sich dann aus diesem Datenhaushalt bedienen. Und das nicht nur bei der Erstinbetriebnahme, sondern bei jeder Änderung.

In Projekten mit verschiedenen Unternehmenspartnern werden weitere passgenaue Lösungen für Maschinenbauer und Systemintegratoren entwickelt. Beispielsweise liefert das IOSB Lösungsbausteine zur Selbstbeschreibung von Maschinenkomponenten und Maschinensteuerungen. Die Technologien sind schon so weit entwickelt, dass das ›Einklinken‹ in das Produktionssystem nur autorisierten Teilnehmern (Komponenten, Maschinen und IT-Systemen) erlaubt ist und dass die Kommunikation der Fähigkeiten verschlüsselt wird.

Die Herausforderung, verkettete Maschinen und Anlagen mit einem übergeordneten IT-System zu verbinden, ist klar: heute erfolgt diese Konfiguration des IT-Systems zum großen Teil manuell. Die Gründe dafür liegen darin, dass heute Produktionsprozesse und -anlagen in vielen Unternehmen ausgeschrieben und von spezialisierten Anlagenherstellern zugekauft werden. Der Maschinen- und Anlagenbau ist mittelständisch geprägt, so dass Produktionsbetriebe ihre Anlagen von diversen Lieferanten erhalten. Dementsprechend sind die Anlagen heterogen ausgestattet: mit unterschiedlichen Steuerungen, diversen Kommunikationsprotokollen und/oder Feldbussystemen, etc. Ein Plug-and-play mit automatischen Konfigurationsverfahren wie beispielsweise in der Unterhaltungselektronik oder der PC-Welt mit USB-Anschlüssen existiert nicht. Die Verbindung zwischen Anlagensteuerung und überlagertem IT-System ist weitgehend starr und anlagenspezifisch konfiguriert. Daraus resultiert ein hoher Konfigurationsaufwand bei der Erstinbetriebnahme und bei jeder Anpassung der Produktionsanlage an neue Randbedingungen.

Die Schwierigkeit für mittelständische Hersteller von Maschinen liegt darin, dass sie sich zunehmend an die Vorgaben ihrer Kunden zum Thema ‚MES-Anbindung‘ anpassen müssen; eine eigene Standardisierung der Bezeichnungen der MES-bezogenen Signale ist daher nur dann sinnvoll, wenn das MES sich aus einem ‚sprechenden‘ Datenhaushalt bedienen kann, d.h. wenn die Bedeutung einzelner Datenpunkte allgemein verständlich und maschinenlesbar beschrieben ist.

Zwei Anwendungsfälle der Selbstbeschreibung sind zu unterscheiden:

  1. Im Entwicklungsprozess der Maschine wird im Zuge des Engineering-Prozesses eine Selbstbeschreibung in Form eines Modells erstellt.
  2. Für eine bereits installierte Maschine soll nachträglich eine Selbstbeschreibung erstellt werden, und zwar auf Basis der Datenpunkte, die bereits in der Maschine existieren. Dies ist der schwierigere Fall, für den wir unseren »PLUGandWORK«-Cube entwickelt haben.

Nach VDI 5600-3 bezeichnet ein Datenpunkt ganz allgemein die zu übermittelenden Daten zwischen Maschine und der ‚Außenwelt‘ einschließlich »eindeutigem Bezeichner, Bedeutung, mögliche Synonyme, das Datenformat sowie die Angabe, ob es sich um mandatorische oder optionale Inhalte handelt.« Auch Schnittstellen und Zugriffsrechte sind Teil der Selbstbeschreibung.

Nutzt also der Maschinen- und Anlagenhersteller Planungssysteme, die während des Engineering-Prozesses Daten erzeugen (mechanische und elektrische Anlagenkonstruktion sowie Steuerungsprogrammierung) und zur Projektierung produktionsnaher IT-Systeme erforderlich sind, werden diese Daten Teil der Selbstbeschreibung. Diese herstellerspezifischen Daten können zusätzlich angereichert werden um Kontextinformationen, z.B. aus den Werkzeugen der übergreifenden Elektroplanung oder der Materialfluss- und Layoutplanung. Falls Layouts bereits in ›strukturierter Form‹ vorliegen - d.h. deren Elemente als einzeln adressierbare Objekte abgelegt sind – können später aus den Layouts zielgerichtet Elemente für Anlagenvisualisierungs- bzw. Prozessführungsbilder abgeleitet werden. Beispiel für die Generierung des HMI ist unser Projekt mit Gebhardt Fördertechnik.

Nach dem Prinzip einer USB-Schnittstelle können Teile der Anlage eigenständig Daten austauschen. Der Vorteil: Die steuernde Software kann neue oder geänderte Systemkomponenten schnell und unkompliziert erkennen und alle Informationen werden zur automatischen Integration in den Produktionsablauf übertragen. „Plug and Work“ lauten Motto und Methode, und zwar unter Nutzung offener Standards, die bereits heute in der Industrie eingesetzt werden. So müssen keine zusätzlichen Schnittstellen oder Treiber programmiert und auf die Anlagen abgestimmt werden.

Die Inbetriebnahme von (Werkzeug-) Maschinen ist heute einer der zeitaufwendigsten Schritte und in ihrem Aufwand oftmals schwer im Voraus zu kalkulieren. So folgt bei einer modernen Produktionsstraße auf die bis zu sechs Wochen dauernde Fertigung und Montage der Einzelmaschinen ein annähernd gleich zeitaufwendiger Prozess zur Inbetriebnahme der Gesamtanlage, der je nach Projektlage beim Hersteller oder bereits beim Kunden auf der Baustelle stattfindet. Einen Großteil dieser Zeit benötigt der Maschinenbauer, um Komponenteneigenschaften manuell in der Maschinensteuerung zu ermitteln und zu hinterlegen, z.B. den Steigungsfehler von Kugelgewindetrieben (siehe auch Bild links, aufgrund der Datenweitergabe als pdf-Datei oder auf Papier). Bei der Inbetriebnahme von Komponenten in einer Werkzeugmaschine müssen Spezifikation wie beispielsweise die Steigung des Kugelgewindetriebs (KGT), die Lagerabstände und die elektrischen Kennwerte der Hauptspindel in der Maschinensteuerung manuell hinterlegt werden. Durch den manuellen Anteil ist dieser Vorgang zeitaufwendig und fehlerbehaftet. Um die geforderte Prozessfähigkeit zu gewährleisten, müssen bauteilspezifische Fehler kompensiert werden. Beispielsweise werden geometrische Fehler bei Kugelgewindetrieben durch Kreisformtests identifiziert und die daraus ermittelten Kompensationswerte in der Steuerung hinterlegt. Bei einer Hauptspindel müssen Verschiebungen des Bearbeitungswerkzeuges, aufgrund von temperaturbedingten Einflüssen, durch entsprechende externe Messeinrichtungen identifiziert und kompensiert werden.

Beispielsweise befindet sich zur Identifizierung von Kugelgewindetrieben auf der Mutter ein 7stelliger Zahlencode. Dieser mit einem Laser aufgebrachte Code wird benötigt, um die Kugelgewindetriebe mit den Inbetriebnahmedaten der jeweiligen Komponenten zu verbinden. Hier sind z.B. Steigungsfehlerschriebe, Reibmomentkurven, Steifigkeiten, Geometriedaten bis hin zu Prüfzeugnissen für die jeweiligen Kugelgewindetriebe notwendig. Diese Daten werden in unterschiedlichen Datenformaten, separat vom Kugelgewindetrieb, an den Kunden weiter gegeben. Die Daten aus den Prüfmessungen an den Prüfständen werden in unterschiedlichen Datenformaten erzeugt. Der dabei entstehende hohe manuelle Aufwand ist heute ein Kostentreiber bei der Inbetriebnahme von Werkzeugmaschinen.

Auch die Inbetriebnahme von Erweiterungssystemen wie Greifersystemen, die für Werkstückmanipulationen zum Einsatz kommen, ist heute noch aufwendig. Hier müssen beispielsweise die möglichen Bewegungsräume in der übergeordneten Steuerung hinterlegt werden. Außerdem wird für hochgenaue Positioniervorgänge die Positionierungsgenauigkeit im Arbeitsraum hinterlegt. Eine Werkzeugmaschine kann mit verschiedenen Werkzeugmagazinen (WZMM) ausgestattet werden. Bei der Inbetriebnahme muss hierbei die Anzahl, Position und der Zustand der einzelnen Werkzeuge, bei großen Magazinen bis zu 100, manuell in der Steuerung hinterlegt werden.

Weiterer Bestandteil – neben der standardbasierten Kommunikation von Maschinen und Komponenten – von PLUGandWORK ist die Generierung von Prozessführungsbildern für Visualisierungssysteme (HMI) aus den Selbstbeschreibungen. Aus Geometrie- und Topologiedaten wird über die AutomationML-Sprachkonstrukte die Visualisierung zur Laufzeit generiert.

Selbst kurzfristige Änderungen an der Hardware werden über das Modell aufgenommen und sofort in das neue HMI umgesetzt. Am Beispiel standardisierter, flexibler und adaptiver Fördertechnikmodule der Fa. Gebhardt soll dies kurz erläutert werden: Voraussetzung sind modulare Fördertechnikeinheiten für Behälter, Kartons oder Paletten, die nach dem Baukastenprinzip zur einer Förderanlage zusammen gebaut werden. Aktuell sind insgesamt 14 Fördermodule verfügbar, die jeweils zu einer vordefinierten Baureihe gehören. Die Baureihe bildet dabei unterschiedliche Längen, Breiten und ggf. Winkel in einer vordefinierten Größenabstufung ab. Damit aus den 14 Fördermodulen und dessen Baureihen unterschiedliche Förderanlagen zusammengebaut werden können, sind die Fördermodule nach außen modular aufgebaut: sie sind beliebig miteinander kombinierbar. Dafür sind sie mit einheitlichen mechanischen und elektrischen Schnittstellen versehen.

Hardware- und Software sind modular aufgebaut – jedes Fördertechnik-Modul enthält einen eigenen Controller mit dem zugehörigen Modell des jeweiligen Moduls. Die Module kommunizieren untereinander über Ethernet. Zur Generierung der Prozessführungsbilder in unterschiedlichen Visualisierungssystemen sind Topologiedaten, Topographie, Struktur, Geometrie und EA-Anbindung Teil der Selbstbeschreibung.

Flexible Fördertechnik ist bereits am Markt erhältlich, z.B. in Form flexibler Conveyor. Neu ist die Möglichkeit, dass die Module ein Selbstbeschreibung haben, auf deren Basis direkt die Visualisierung erzeugt werden kann, und zwar in beliebigen marktgängigen Visualisierungssystemen, z.B. Siemens WinCC.

Ziel des Entwicklungsprojekts der GEBHARDT Fördertechnik GmbHcjt Systemsoftware AG und der Forschungspartner IOSB und KIT/IFL ist die Entwicklung standardisierter, flexibler und adaptiver Fördertechnikmodule inkl. eines Automatisierungs-Frameworks zur schnellen, kostengünstigen Projektierung, Bedienung und Überwachung von Anlagen, insbesondere Förderstrecken, aus der Intralogistik.

Anwendungsfeld Plug and Work

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